Ein Tempolimit auf unseren Autobahnen fordern wir Grüne schon länger. In meinem Archiv habe ich eine Pressemitteilung dazu gefunden. Bereits 2013 war für uns klar, dass eine Limitierung der Geschwindigkeit auf deutschen Autobahnen vernünftig ist. Um uns herum haben das viele Länder kapiert, nicht nur in der EU, deren einziges Fossil wir in dieser Hinsicht sind, sondern weltweit. Dennoch wurden in der Zwischenzeit die teilweise wahnwitzigen Geschwindigkeiten auf unseren Autobahn weiter hochgehalten. Das zeigt, dass Politik oft das Bohren harter Bretter bedeutet. Gut ist da, dass wir Grünen hartnäckig und ausdauernd sein können, wenn es nötig wird.
Und das Gebot der Stunde ist Hartnäckigkeit, das zeigt die erneute Diskussion des Tempolimits als einen sinnvollen Schritt für eine umweltfreundlichere und sicherere Mobilität auf unseren Straßen. Konkret geht es uns gerade besonders um den Abschnitt der A7 zwischen dem Bordesholmer Dreieck und Hamburg, hier gibt es einigen Widerstand. Doch nicht nur hier, sondern insgesamt müssen wir die ökologische Erfordernis unserer mündigen Selbstbeschränkung einsehen. Die Zeit dafür ist reif, nicht erst seit jeden Freitag engagierte junge Menschen auf die Straße gehen, um den Entscheider:innen in Bund und Land den Spiegel vorzuhalten. Seit 2013 hat sich einiges geändert, dass muss deutlich gesagt werden. Die Stimmung in der Bevölkerung kippt, die Mehrheit erkennt ein nachhaltigeres Verkehrsverhalten als vorteilhaft an und befördert das Tempolimit vom Parkplatz in die Mitte der politischen Fahrbahn.
Was sich seit 2013 nicht geändert hat, ist meine Meinung dazu. Immer noch vertrete ich aus Überzeugung eine Verkehrspolitik der Nachhaltigkeit, zu der nach wie vor ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen gehört. Nicht nur ist es verantwortungsvoll und vernünftig, dies zu fordern. Auch faktisch ist ein Tempolimit angezeigt. Es gibt keine schnellere und kostengünstige Maßnahme für mehr Klimaschutz, verbesserte Sicherheit und gesteigerte Wohlbefinden auf der Straße, denn das beste daran ist, dass es ist ohne weiteres sofort umgesetzt werden kann. Wir müssen wieder lernen, welchen Wert das Langsame für uns haben kann. „Reisen statt Rasen“ heißt daher das Credo einer nachhaltigen Mobilität der Zukunft, auf Schiene und Straße – und gerade auf unseren Autobahnen.
Ein Tempolimit ist technisch sinnvoll
Schauen wir mal genauer auf die vermeintlichen Vorteile schnellen Fahrens. Richtig ist, dass man bei einem Tempo von 180 km/h im Vergleich zu Tempo 130 zwischen Flensburg und Hamburg gerade einmal 13 Minuten Zeit gewinnt. Der Preis für diese 13 Minuten ist jedoch hoch. Schnelles Fahren ist die häufigste Ursache für schwere Unfälle auf Autobahnen. 21 000 Unfälle und 400 Tote allein im Jahr 2018 in Deutschland dürfen wir nicht ignorieren. Laut ADAC sind unsere Autobahnen zwar die sichersten Straßen in Deutschland. Richtig ist aber auch, dass wir durch einfache Maßnahmen wie ein Tempolimit noch viel mehr Unfälle vermeiden können. Wir Grüne haben uns daher die „Vision Zero – Null Verkehrstote“ zum Ziel gesetzt. Wir treten ein für mehr Verkehrssicherheit und weniger schwere Unfälle. Dass ein Tempolimit hier wirkt, zeigt die Statistik: auf Abschnitten mit Tempolimit gibt es 26 Prozent weniger tödliche Unfälle und 17 Prozent weniger Schwerverletzte.
Trotz dieser Einsicht ist der Geschwindigkeitswahn für manche noch faszinierend. Ernüchternd hingegen ist die Realität des Temporauschs auf unseren Autobahnen: beschleunigen, abbremsen, Spur wechseln – immer und immer wieder. Untersuchung der Uni Köln zeigen, wie dieses kontraproduktive Fahren und sogenanntes Kolonnenspringen den Verkehr blockiert. Viele Vernünftige bremsen die wenigen Raser:innen, gleichzeitig bremsen Raser:innen alle anderen und damit auch sich selbst. Von Fahrspaß oder Entspannung bleibt da nicht viel übrig. § 5 Abs. 4 StVO sagt klar: „Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.“ Man möchte ergänzen: „Wer aggressiv überholt, behindert sich größtenteils selbst.“ Der Nachteil liegt klar auf der Hand. Gerade durch übermäßig schnelles Fahren entstehen Behinderungen, die sich in Staus und Zeitverlust manifestieren. Da werden aus den 13 Minuten Vorteil zwischen Flensburg und Hamburg schnell 60 Minuten Nachteil.
Freie Fahrt mit Tempolimit – eine sinnvolle Maßnahme für den Klimaschutz
Es gibt auch gute Nachrichten für alle Autoliebhaber:innen. Ein Tempolimit senkt nämlich nachweislich den Spritverbrauch. Angesichts der hohen Kraftstoffpreise und der langfristigen Kosten fossiler Brennstoffe für unsere gemeinsame Umwelt ist hier eine vernünftige Selbstbeschränkung angezeigt, ein wahres Zeichen für Freiheit. Denn frei zu sein bedeutet nicht, tun und lassen zu können, was man will. Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo die Freiheit des Anderen beginnt. Und schauen wir uns um: Frankreich? Tempolimit 130 km/h. Belgien? Tempolimit 120 km/h. Italien? Tempolimit 130 km/h – Sind Franzos:innen, Belgier:innen, Italiener:innen denn weniger freiheitsliebend als Deutsche? Wir sind beim Tempolimit ein weißer Fleck auf der Landkarte und im Boot mit Staaten wie Afghanistan, Bhutan, Nordkorea oder Somalia. Selbst in den USA, dem „Land of the Free“, gibt es auf zehnspurigen Autobahnen ein Tempolimit von bis zu 85 Meilen/h (137 km/h).
Wer aus einem falschen Freiheitsverständnis heraus den Schritt zum Tempolimit nicht selbst tut, bekommt den Strafzettel von einer jungen Generation von Klima-Aktivist:innen, die uns jeden Freitag die rote Kelle bei Umweltverschmutzung und Treibhausgasen vor Augen hält. Was diese jungen Menschen engagiert bezeugen ist, dass wir das einzige Fossil in Europa sind, dem eine nachhaltige Temporegelung fehlt. Wir Grüne bekennen uns zu den Pariser Klimazielen, auf die wir uns im Koalitionsvertrag der Jamaica-Koalition verpflichtet haben. Sie gelten gerade in der Debatte um ein Tempolimit auf der Autobahn. Tempo 130 würde sofort drei Millionen Tonnen CO2 in Deutschland reduzieren – ohne Aufwand, ohne Bürokratie und als Zeichen an eine junge Generation sofort machbar.
Wie wird die Geschwindigkeitsgesellschaft nachhaltiger?
Wir sind zunehmend eine Gesellschaft in der Langsamkeit als Problem empfunden wird, so sagen es Verkehrspsychologen. Dabei tut uns allen ein nachhaltiges Fahrverhalten auch aus gesundheitlicher Perspektive gut. Ein geringeres Fahrtempo produziert weniger Abgase und reduziert den Lärm: 50 Autos sind bei Tempo 50 ebenso laut wie 100 Autos, die 30 Stundenkilometer fahren. Gute Luft, weniger Lärmbelästigung und ein gesenkter Stress-Pegel wiederum tragen dazu bei, zum Beispiel Herz- und Atemwegserkrankungen zu vermeiden. Gerade für Pendler:innen, die viel Zeit auf der Straße verbringen, sind solche gesundheitlichen Faktoren ausschlaggebend für einen nachhaltig gestalteten Arbeitstag und einen verträglicheren Lebenswandel. Daher heißt ein Tempolimit für uns nicht nur Selbstbeschränkung, sondern auch gesellschaftlicher Gewinn: Reisen statt Rasen – mit Tempo 130 kommt man schnell und sicher ans Ziel, ohne die eigene Gesundheit oder das Wohlbefinden der Mitmenschen zu gefährden.
Über das eigene Lenkrad hinaus denken
Glücksgefühle auf Kosten von Menschenleben und Natur haben klare Grenzen. Das sieht heute die Mehrheit der Deutschen so: 63 Prozent wollen ein Tempolimit, bei den Frauen* sind es sogar 75 Prozent. Diese Entwicklung zeigt einen Trend zu mehr Nachhaltigkeit und ein gesteigertes Bewusstsein für Grüne Werte. Richtig ist: über ein Tempolimit entscheidet letztendlich das Bundesverkehrsministerium in Berlin. Für ein baldigen Spurwechsel stehen die Zeichen hier jedoch auf Stau. Deshalb setzen wir Grüne uns im Land wie auf Bundesebene für ein generelles Tempolimit ein. Das heißt auch, dass wir uns im Falle der A7 zwischen dem Bordesholmer Dreieck und Hamburg nicht wegducken.
Auch müssen wir über unser Lenkrad hinaus denken, denn um die Verkehrswende auf den Weg zu bringen, reicht ein Tempolimit allein nicht aus. Wir müssen es schaffen, dass in Zukunft mehr Fahrzeuge mit Elektromotor, die mit Strom aus erneuerbaren Energien fahren, und mit Brennstoffzelle, die grünen Wasserstoff tanken, auf die Straßen kommen. Die beste Maßnahme ist für uns allerdings die Verkehrsvermeidung und dazu brauchen wir konkrete Vorschläge. An Ideen mangelt es nicht: mehr und besseren ÖPNV, die Planung einer Stadtbahn für Kiel, eine bessere Parkraumbewirtschaftung, Park-and-Ride im Umland, Vorrang für E-Autos, mehr Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum, freies Parken für E-Autos und wenn schon eine Spur freigehalten werden soll, dann für E-Autos.
Sowohl in 2013 wie heute gilt für uns: es gibt kein Recht auf Raserei und zu schnelles Fahren. Freiheit, Spaß und Glücksgefühle auf Kosten der Natur und auf Kosten von Menschenleben, das ist aus der Zeit gefallen. Wenn ich in sechs Jahren wieder in mein Archiv blicke, möchte ich sagen können, dass wir ein gutes Stück weiter gekommen sind auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und einer Mobilität der Zukunft.