PM#315.19 · Es gilt das gesprochene Wort! TOP 16 – Kostenfreier Nahverkehr zum Tag der Deutschen Einheit. Dazu sagt der verkehrspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Tietze:
Liebe Kolleg*innen,
„Vergessen Sie nicht: Sie fahren weiter durch Deutschland“
Diese Schilder standen an allen Bahngrenzstellen zur DDR und mahnten die Reisenden, nicht die Präambel des Grundgesetzes zu vergessen, dass das gesamte deutsche Volk aufgefordert bleibt, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
Der Rest ist bekannt: Die Mauer fiel und die Einheit kam.
Die Bahn spielte schon vor dem Mauerfall eine besondere Rolle. Nachdem Tausende im Oktober 1989 in die bundesdeutsche Botschaft in Prag flüchteten, brachten 22 Sonderzüge die Menschen in die Freiheit. Das Kalkül des SED-Regimes, die Züge über DDR-Gebiet fahren zu lassen, um damit zu demonstrieren, dass sie die Lage unter Kontrolle hatten, schlug ins Gegenteil um. Tausende Menschen stürmten die Bahnhöfe, um in die Züge zu gelangen. Trotz des massivsten Einsatzes von tausenden Sicherheitskräften gelang es einigen sogar.
In der Woche vor dem Mauerfall konnten weitere tausende von Menschen per Zug über die Tschechoslowakei in den Westen fliehen.
Mit dem Mauerfall wurden die Deutschen dem damals regierenden Bürgermeister Berlins Walter Momper nach „das glücklichste Volk der Welt“. Wieder war es die Bahn, mit der Millionen Menschen erstmals in den Westen reisten. Sei es für immer, um nur mal zu gucken oder Verwandte, Freund*innen oder Bekannte zu besuchen.
Es ist also am Tag der Deutschen Einheit wie auch bei anderen Großveranstaltungen sinnvoll, mit dem Zug anzureisen. Den Tag der Deutschen Einheit zu feiern, ist für viele auch mit äußerst glücklichen Erinnerungen an damalige Bahnfahrten verbunden. Auch vor diesem Hintergrund ergibt es Sinn, den Menschen im Lande, die Bahnfahrt zu ermöglichen.
Es nützt aber nichts, Herr Kollege Vogel, einfach „Freibier“ zu rufen, denn dann haben Sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Kostenloser Nahverkehr ist nämlich nicht kostenlos. Die Erfahrungen bei den Verhandlungen zum Semesterticket waren bitter: Die Verträge mit den Verkehrsunternehmen, insbesondere mit den Bahnen, erlauben es uns nicht, Tarifänderungen nachträglich umzusetzen. Das muss zunächst mit dem Unternehmensverband NSH verhandelt werden. Nicht umsonst hatte die Einführung des Semestertickets Jahre gedauert.
Insofern begrüßen wir es, dass die Landesregierung bereits mit der Landeshauptstadt Kiel vereinbart hat, den öffentlichen Nahverkehr am 3. Oktober 2019 für die Bürger*innen kostenlos zur Verfügung zu stellen und sie darüber hinaus auch weiter zum Schienenpersonennahverkehr im Gespräch sind.
Ich hoffe sehr, dass die weiteren Verhandlungen die kostenfreie Fahrt am 3. Oktober auch für Bahnfahrten der Menschen aus allen Landesteilen zur Folge haben.
Verhandlungen sollten aber mit Augenmaß geführt werden. Forderungen der SPD, die kostenlosen Fahrten auf mehrere Tage auszuweiten, sind nicht hilfreich. Es zeigt aber, dass wir uns in der Politik dringend über eine Systemänderung unterhalten müssen. Nämlich über die Frage der sogenannten Brutto- oder Nettoverträge bei der Vergabe von Verkehrsverträgen.
Wir Grüne wollen für das Land die Tarifhoheit erreichen.