Pressemitteilung Nr. 080.21 · Es gilt das gesprochene Wort! TOP 17 – Für eine atomwaffenfreie Welt. Dazu sagt der zuständige Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Tietze:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Atombombe ist die heimtückischste Waffe, die die Menschheit je erfunden hat. Vor mehr als 75 Jahren brachte sie unermessliches Leid und Tod für die Menschen in Japan. Die Sprengkraft heutiger Atombomben umfassen ein Vielfaches der Bomben von Hiroshima und Nagasaki.
Ich danke der SPD-Fraktion ausdrücklich für diesen Antrag, wohlweißlich dass ihre Genossen in Berlin in der Bundesregierung, ihr Anliegen nicht teilen.
Das globale System der Kontrolle von Atomwaffen ist vor unseren Augen zusammengebrochen. Wir sind nicht nur dabei, alles zu verspielen, was während des Kalten Krieges und der Zeit danach erreicht worden ist. USA, Russland, China, Indien und Pakistan arbeiten an der Modernisierung ihrer Arsenale. Mit dem Iran, Nordkorea und Türkei stehen neue Anwärter auf der Matte. Um die Atomwaffenabrüstung ist es derzeit nicht gut gestellt. Die Zeichen deuten gerade nicht auf eine atomwaffenfreie Welt und dennoch gibt es einen Hoffnungsschimmer.
Es ist der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV), der im Juli 2017 von der UN-Vollversammlung mit den Stimmen von 122 Staaten verabschiedet worden und am 21.1.2021 in Kraft getreten ist. Der Atomwaffenverbotsvertrag verbietet den Einsatz, die Entwicklung, Produktion und Lagerung von Atomwaffen sowie die Drohung mit deren Einsatz.
Was soll das? Sagen die Kritiker, die Atommächte USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China sind nicht beigetreten und argumentieren, dass nur die großen Arsenale bisher kleinere Staaten vom Einsatz der Atomwaffen abgeschreckt haben. Dahinter steckt die Logik, wer auch nur mit dem Finger zuckt, wird danach von anderen plattgemacht und diese Doktrin funktioniere ja immerhin schon seit 75 Jahren.
Ignoriert wird dabei aber, dass die Vorwarnzeiten erheblich gesunken sind, Hackerangriffe in Zukunft nicht auszuschließen sind und neue Technologien wie Hyperschallraketen, die Reaktionszeiten auf wenige Minuten schrumpfen lässt.
Die Internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN), die übrigens 2017 den Friedensnobelpreis bekommen hat, spricht von einem historischen Schritt.
Häufig wird als Argument gegen den AVV die angebliche Unverträglichkeit von Atomwaffensperrvertrag – Nichtverbreitungsvertrag (NVV) – und Atomwaffenverbotsvertrag vorgetragen. Dazu wurde ein Rechtsgutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages erstellt. Das Gutachten stellt dazu fest, dass der AVV nicht isoliert zum NVV – der ja nun mehr als 50 Jahre existiert – zu sehen ist, sondern in die nukleare Abrüstungsarchitektur eingebettet ist und so hatten zahlreiche Staaten überhaupt kein Problem, beide Verträge zu ratifizieren.
Ein Argument, welches die Bundesregierung immer wieder gegen einen Beitritt – bzw. gegen eine Ratifizierung – genannt hat, ist die NATO-Mitgliedschaft der Bundesrepublik – neben Deutschland betrifft dies Belgien, die Niederlande, Italien und die Türkei. Richtig ist, wer an der Präsenz von Atomwaffen auf seinem Territorium festhalten will, kann dem AVV nicht beitreten.
Aber wer sagt denn, dass das so bleiben muss? Und ein Beitritt zum AVV heißt ja nicht, dass sofort vollzogen werden muss, das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes spricht hier von einem zeitlichen Ermessenspielraum. Aber ich sage das hier in aller Deutlichkeit für meine Fraktion und meine Partei: Wir wollen keine Atomwaffen mehr in Deutschland. Unsere Parteitagsbeschlüsse, unser Grundsatzprogramm sind da glasklar.
Kommen wir zurück zu dem Antrag der SPD und dem Anliegen von ICAN. Jeder der derzeit 3.000 einsatzfähigen Sprengköpfe hat die 13- fache Sprengkraft der Hiroshimabombe. 1996 hat der Internationale Gerichtshof in einem Urteil allein die Drohung mit einem Nuklearschlag als Verstoß gegen das Völkerrecht bezeichnet.
In einem gemeinsamen offenen Brief ehemaliger NATO-Generalsekretäre und 53 ehemaliger Außen- und Verteidigungsminister heißt es eindrücklich und damit möchte ich auch schließen:
„Die Coronavirus-Pandemie hat deutlich gemacht, dass eine verstärkte internationale Zusammenarbeit dringend erforderlich ist, um Bedrohungen für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschheit anzugehen. Unter diesen Bedrohungen bleibt die Gefahr eines Atomkrieges von größter Bedeutung. Das Risiko einer Atomwaffendetonation heute – ob durch einen Unfall, Fehleinschätzung oder Absicht – nimmt augenscheinlich zu, da neue Arten von Atomwaffen entwickelt wurden, langjährige Rüstungskontrollabkommen aufgekündigt sind und die Gefahr von Cyberangriffen auf nukleare Infrastruktur sehr real geworden ist.“
Und der Brief schließt mit dem Appell: „Früher oder später wird uns unser Glück verlassen – wenn wir nicht handeln!“