Pressemitteilung Nr. 366.21 · Es gilt das gesprochene Wort! TOP 5 – Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes. Dazu sagt der wohnungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Tietze:
Liebe Kolleg*innen,
Es ist erstmal schlicht eine Forderung aus dem Koalitionsvertrag, eine Änderung am Wohnraumschutzgesetz vorzunehmen. Das müssen wir umsetzen. Die aktuellen Umstellungen halten wir Grüne allesamt für sinnvoll. Mein herzlicher Dank geht an Frau Ministerin Sütterlin-Waack: Es wurde mehr Flexibilität und damit Erleichterung geschaffen, zum Beispiel indem es bei Fehlbelegung und Mieter*innenschutz nun die Möglichkeit zur Bindungsübertragung gibt, ohne aufwändige Fehlbelegungsabgabe. Außerdem haben wir Rechtssicherheit im Fall von Untervermietung geschaffen.
Dass sich die Gültigkeitsdauer eines Wohnberechtigungsscheines halbiert hat – er muss nun jedes Jahr neu beantragt werden – sahen wir zunächst kritisch. Allerdings halten die kommunalen Fachleute das für keine bemerkenswerte bürokratische Mehrarbeit und in anderen Bundesländern ist das längst üblich. Von daher melden wir auch hier keine Vorbehalte an.
Natürlich wäre es aus Grüner Sicht besser gewesen, wenn wir auch ein Zweckentfremdungsverbot ergänzt hätten, zumindest optional für unsere touristisch hochattraktiven Orte. Es kann nicht sein, dass die wunderschönen kleinen Städtchen Wochenend- und Urlaubsheimat für begüterte Großstädter*innen werden, dass ganz normaler Wohnraum zugunsten von Kurzzeitvermietung verloren geht und der Krankenpfleger der örtlichen Klinik, die Polizistin und der Bäcker in eben jenem Ort keinen Wohnraum mit ihren Familien finden. Die Wohnraumnutzung zu rein touristischen Zwecken benötigt in Extremlagen, beispielsweise auf Sylt, eine Regelung.
Ein Wohnraumschutzgesetz mit entsprechender Möglichkeit der Kontrolle wäre ebenfalls wichtig: Es hätte im letzten Sommer die pandemischen Vorkommnisse in den Unterkünften der rumänischen Arbeiter*innen der Fleischbranche im Vorwege verhindern können. Dennoch werden mit dem neuen Gesetzesentwurf bestimmt 30 Prozent unserer Vorstellungen umgesetzt – ein sehr guter Schnitt, wie ich finde.
An dieser Stelle gratuliere ich der SPD und natürlich auch uns und den Kolleg*innen der FDP zu dem frisch vorgestellten Koalitionsvertrag. Und besonders an dieser Stelle richten sich meine und wahrscheinlich unser aller Erwartungen auf das neu geschaffene Ressort der SPD: auf das Bauministerium, was es in dieser Form seit den 90er Jahren nicht mehr gegeben hat.
Nun können und müssen Sie allerdings auch, liebe Frau Ünsal, konkret zeigen, wie es geht. In Schleswig-Holstein ist die Vernetzung von Politik und allen anderen beteiligten Akteur*innen durchaus gegeben – wir tauschen uns aus. Einen „Pakt für Wohnen“ auf Augenhöhe und mit Vertragsmanagement zu schließen, ist grade vor dem Hintergrund der horrend steigenden Baupreise mit Sicherheit sinnvoll und nachahmenswert.
Der Wohnungsmarkt ist nach wie vor angespannt und der Mietzins im Schleswig-Holstein ist ungebrochen auf dem Weg nach oben. Das ist in Städten mit sozialdemokratischen Bürgermeister*innen auch nicht anders: In Kiel lag der durchschnittliche Mietzins 2012 bei 6,38 Euro/m² – 2021 liegt der bei 8,59 Euro. Das sind 30 Cent mehr als im Landesdurchschnitt, aber fast 1,00 Euro mehr als im Bundesdurchschnitt. Betrachtet man die nicht so attraktiven Lagen wie Mettenhof oder Gaarden, sieht das schon wieder anders aus – und da, liebe SPD, ist ein großes Problem. Immer wieder gibt es diese begehrten Lagen, die sich zu In-Vierteln entwickeln und Wohnraum wird privatisiert und verteuert sich enorm.
In Lübeck, eindeutig eine schöne Stadt zum Wohnen, ist es noch dramatischer: Hier zahlt man nach 6,40 Euro/m² in 2012 jetzt bereits 9,03 Euro, das sind 1,14 Euro über dem Bundesdurchschnitt. Und auch in Flensburg liegt die durchschnittliche Miete mit 7,95 Euro/m² noch über dem Bundesschnitt – sie war im letzten Jahr allerdings noch höher (8,14 Euro/m² in 2020) – ist also immerhin leicht rückläufig.
Die bundespolitischen Aussagen zum Mieter*innenschutz, das können Sie sich denken, liebe Kolleg*innen, begrüßen wir sehr. Wir dürfen gespannt sein, ob diese Maßnahmen künftig in Schleswig-Holstein wieder zum Tragen kommen werden.
Das Baulandmobilisierungsgesetz sieht ja das Umwandlungsverbot vor – hier bei uns kriegen wir den §150 Baulandmobilisierungsgesetz zurzeit nicht durchgesetzt, auch das ist, bisher zumindest, einer der zu schließenden Kompromisse gewesen. Aber die Befristungen in dem Gesetz sind ja jetzt aufgehoben worden.
Der Ampel-Koalitionsvertrag sieht Maßnahmen vor, die wir in Schleswig-Holstein auch als unabdinglich erkannt haben – nicht nur geografisch, auch als Regierung, sind wir hier ganz oben: Das Jamaika-Mantra aus den letzten Jahren wurde übernommen: bauen, bauen, bauen. Es sollen pro Jahr 100.000 Sozialwohnungen entstehen, von insgesamt 400.000 – ein Riesenunterfangen. In den letzten Jahren wurden in unserem Land jährlich über 11.000 Wohnungen fertiggestellt, im letzten Jahr sogar knapp 14.000.
Und Frau Ünsal: Zitat Koalitionsvertrag: „Dafür werden wir die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau inklusive sozialer Eigenheimförderung fortführen und die Mittel erhöhen.“ Solange das beihilferechtlich machbar ist: gern, das ist ein guter Vorsatz. Aber ich höre auch „fortführen“ und das sagt mir: Es war nicht alles schlecht.
Auch in diesem Bereich sind wir in Schleswig-Holstein sehr gut: wir fördern den sozialen Wohnungsbau mit insgesamt 788 Millionen Euro, so hoch wie nie. Passgenaue Förderprogramme haben wir aufgelegt, ich denke hier besonders an „Wohnraum für besondere Bedarfsgruppen“. Sogar öffentliche Träger können hier beantragen. Auch die Möglichkeit, durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung Kosten zu minimieren, haben wir 2019 und aktuell in der LBO von Schleswig-Holstein verankert.
In dieser Sitzung beschließen wir in der Sammeldrucksache Änderungen zur Harmonisierung der Landesbauordnung: unter anderem erst kürzlich ergänzte Bestimmungen zur Digitalisierung, die zu deutlich schnelleren Verfahren führen werden. Sehr gut!
Konkret und damit höchst erfreulich aus unserer Sicht sind alle Koalitionsaussagen zum Klimaschutz im Gebäudebereich, zu dem Anteil der Grauen Energie und der Kreislaufwirtschaft in der Bauwirtschaft. Das ist der Grüne Weg, nicht nur investiv, sondern gleichzeitig auch sozial und immer wieder nachhaltig zu denken!
Wir Grüne haben bei allen Maßnahmen den Wandel im Blick: Nicht zuletzt durch den Klimawandel ändern sich Bedarfe. Wir wollen auf die Lebensrealität der Menschen eingehen, wir wollen auf das Bedürfnis vieler Menschen nach Reduktion vertrauen, nach Suffizienz und auf die Erkenntnis: weniger ist mehr – das haben längst viele Menschen erkannt.
Wir wollen uns an Ländern wie Dänemark oder Städten wie Amsterdam orientieren. Wir wollen Raum geben: wenn freie Innenstadtlagen nicht mehr zu bekommen sind, warum nicht auf dem Wasser? Warum nicht auf Zeit, für gemeinschaftliche Wohnprojekte? Warum keine Tiny Houses. So leben keine Großgrundbesitzer liebe SPD, sondern Menschen, die sich zurücknehmen wollen.
Grün heißt, sich an den Menschen zu orientieren, den Menschen zurückgeben, was ihnen fehlt und für guten, gesunden und nachhaltigen Lebensraum zu sorgen – für das Jetzt und die nachfolgenden Generationen. Denn wohnen ist ein Menschenrecht!
Vielen Dank.