Thema
Wohnungsbaupolitik für Schleswig-Holstein: fair, gut und günstig wohnen

Nachhaltige Verbesserung der Wohn- und Bausituation in Schleswig-Holstein
Wohnungsbaupolitik in Schleswig-Holstein war schon immer wichtiges grünes Thema. Als wir 1996 erstmals in den Landtag einzogen und gleich in die Regierung eintraten, haben wir bereits die Grundlagen für ökologisches und soziales Bauen gelegt. Seit der neuen Legislaturperiode befasse ich mich nun mit diesem Themenfeld und begegne heute den Herausforderungen einer landesweiten Wohnungsnot, die 1996 natürlich noch nicht absehbar war. Wie alle Krisen birgt jedoch auch diese ein Potential. So dringend der Handlungsbedarf ist, so groß ist auch die Chance, die sie uns bietet, notwendige und sinnvolle Schritte im Wohnungsbau großflächig zu verwirklichen. Grüne Wohnungsbaupolitik ist daher aktueller und wichtiger denn je, denn nur, wenn sie sozial, fair und gerecht ist, garantiert sie eine nachhaltige Verbesserung der Wohn- und Bausituation in Schleswig-Holstein.
Schleswig-Holstein ist mein Zuhause. Mein Gefühl der Verbundenheit teile ich anscheinend mit vielen, denn Wohnen und Leben im Echten Norden boomt. Dieser Trend zeichnet sich nicht nur in unseren Tourismus-Rekorden ab: Schleswig-Holstein erfährt bis heute einen enormen Bevölkerungszuwachs, der dem demografischen Wandel im Land entgegenwirkt. Einerseits ist das eine erfreuliche Entwicklung, denn unsere Wirtschaft sowie unsere Kultur und unsere gesellschaftliche Vielfalt profitieren in großem Maße davon. Andererseits bewirkt dieser Zuwachs aber, dass immer weniger Wohnraum zur Verfügung steht. Während die moderne Arbeits- und Lebenswelt die Menschen vermehrt in Städte wie Kiel oder Lübeck zieht, sind unsere ländlichen Gebiete stetig der Gefahr ausgesetzt, abgehängt zu werden. Diese beiden Bewegungen setzen unsere regionalen Wohnungsmärkte unter Druck und machen sie anfällig für Immobilienspekulationen, Gentrifizierung und den Verfall sozialer Standards. Dieser Entwicklung entgegenzuwirken ist Aufgabe grüner Wohnungsbaupolitik.
Wohnungsbaupolitik ist Sozialpolitik
Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass Wohnungsbaupolitik zunächst dort wirksam werden muss, wo die Not am größten ist. Im Bereich sozial geförderten Wohnens ist es in den letzten zehn Jahren zu einem dramatischen Rückgang an Wohnraum gekommen. Viele Wohnungen, die für Familien und Menschen mit durchschnittlichem oder kleinem Einkommen reserviert waren und zu sozialen Mietpreisen bereitgestellt wurden, sind aus der Bindung des Wohnbauförderungsgesetzes gefallen und einer anderen Nutzung zugeführt worden. Immer mehr Menschen können sich so keine Mietwohnung in unseren Städten mehr leisten, obwohl ihre Lebensführung dies erfordert. Dass nun die wirtschaftlich Benachteiligten aus dem Wohnungsmarkt verdrängt werden, führt nicht nur zu sozialen Spannungen, sondern ist auch ein deutliches Zeichen dafür, dass Wohnungsbaupolitik ohne deutlich soziale und nachhaltige Ausrichtung nicht mehr zu rechtfertigen ist. Wenn Haushalte in Armutsgefährdung geraten und der freie Markt zunehmend versagt, dann ist es bereits fünf nach Zwölf – wir müssen hier dringend handeln. Wohnungsbaupolitik ist daher für uns immer schon Sozialpolitik. Wir verfolgen den sozialpolitischen Dreiklang: Förderung von sozialem Wohnungsbau, Absicherung einkommensschwacher Haushalte und Schutz vor willkürlichen Kündigungen und übermäßigen Mieterhöhungen. So schaffen wir schnelle Abhilfe dort, wo es am nötigsten ist.
Eine neue Wohnkultur für Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein bietet einzigartige Möglichkeiten, soziale und natürliche Wohnungsumfelder in Stadt und Land zu gestalten. Dazu richten wir unsere Vorschläge konsequent, nachhaltig und ganzheitlich an den Menschen und ihren Bedürfnissen aus. Dass Wohnen bezahlbar und eine eigene Immobilie finanzierbar sein muss, ist richtig. Aber auch modernes Wohnen, wie tiny houses und große Wohnungen für große Patchwork-Familien oder Wohngemeinschaften, soll berücksichtigt werden. Wir brauchen besonders in den Städten eine neue Wohnkultur, in der individuelle Lebensformen gelebt werden können und die gleichzeitig ein soziales Zusammenleben im Quartier ermöglicht. Gesellschaftspolitische Lebensbedingungen wie die Digitalisierung der Arbeitswelt, der Klimawandel oder der demografische Wandel sollen dabei berücksichtigt werden. Blicken wir zum Horizont und vielleicht noch weiter darüber hinaus, um die Chancen zu nutzen, die flexible und integrierende Wohnkonzepte für unser Zusammenleben bieten. Vorbildliche Modellprojekte in Europa und der ganzen Welt machen es vor. Von dieser Erfahrung kann auch Schleswig-Holstein profitieren.
Rahmenbedingungen gemeinsam nutzungsfreundlich gestalten
Um der Wohnungsnot zu begegnen ist die Vernetzung und Kooperation aller Akteure im Feld erforderlich. In Sachen Stadt- und Flächenentwicklungsplanung wünschen wir uns einen Schulterschluss zwischen Kommunen und dem Land. So soll zum Beispiel für den sozialen Wohnungsbau kommunales Bauland verbilligt bereitgestellt werden. Im Gegenzug müssen zukünftig landespolitische Instrumente im Förderbereich wie die Umnutzung, Modernisierung und Aktivierung von Bestandsimmobilien stärker genutzt werden. Die Vergaben von Grundstücken der öffentlichen Hand soll zukünftig nach Konzeptqualität geschehen. So setzen wir auf bessere Lebensqualität für alle, anstatt auf unsinnige Profite für wenige.
Wer schon mal gebaut hat, weiß, wie schwierig und langwierig mitunter die dazu gehörigen Prozesse verlaufen. Mit ein Grund für die Herausforderungen am Wohnungsmarkt sind die umfassende Verrechtlichung und Bürokratie, die Verwaltungsprozesse und Bauvorhaben reglementieren. Eine Baukostenreduktion ließe sich beispielsweise schon mit effektiveren Planungs- und Produktionsprozessen für zukünftiges Bauen erreichen. Hier ist dringender Handlungsbedarf offensichtlich. Entbürokratisierung hilft den Behörden, Verfahren schneller und übersichtlicher zu gestalten und so alle Beteiligten zu entlasten. Im Land wollen wir die Vereinfachung rechtlicher Rahmenbedingen der Landesbauordnung. Dabei muss ganz klar sein, dass Erhalt und Weiterentwicklung von Klimastandards weiterhin gewährleistet sein müssen. Modernes Bauen und Wohnen stützt sich auf technische Innovationen zur Ausgeglichenheit von Ökologie und Ökonomie. Diese Innovationskraft muss auch bezüglich der rechtlichen und verwaltungstechnischen Rahmenbedingungen genutzt werden, um in Zukunft effizienter und effektiver bauen zu können.
Wohnen und Mobilität gehören zusammen
Fit für die Zukunft ist nur ein Wohnungsbau, der sinnvollen Mobilitätskonzepte gleich mitdenkt. Denn die Wohnqualität hängt auch von der Erreichbarkeit und dem infrastrukturellen Anschluss ab. Was nützt die neue Wohnung, wenn der Weg zur Arbeit dadurch unzumutbar wird? Wir müssen daher eine integrierte und vernetzte Mobilität der Zukunft auch bei der Bewältigung der Wohnungskrise berücksichtigen. Besonders in ländlichen Gebieten gehört Mobilität zur Lebensgrundlage. Hier eine attraktive Anbindung an die urbanen Räume zu schaffen, entzerrt den Wohnungsmarkt und eröffnet neue Wohnmöglichkeiten für Menschen mit städtischem Arbeitsmittelpunkt. Unsere Städte hingegen sind baulich auf das Auto ausgerichtet, anstatt den Menschen zum Maßstab ihrer Infrastruktur zu machen. Wo heute Parkplätze wertvolles Bauland blockieren und unnötigerweise unsere Innenstadtflächen versiegeln, könnten neue Wohnungen entstehen. Und wie viele Ressourcen, Zeit und Ärger könnten wir uns sparen, wenn beispielsweise unser Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle bequem und zuverlässig mit einem guten ÖPNV zu bewältigen wäre? Nutzen wir die Synergie-Effekte von Wohnungsbau und Mobilität. Indem wir beides verknüpfen, unterstützen wir die dringend nötige Verkehrswende in den Städten und erweitern die wohnungspolitischen Möglichkeiten auf dem Land erheblich. Das macht unseren Wohnungsmarkt nicht nur fit für die Zukunft, sondern wirkt zugunsten von Mensch und Natur in ganz Schleswig-Holstein.
Gerechtes und nachhaltiges Wohnen im Einklang mit der Natur
Für uns Grüne sind Naturschutz und Umweltfreundlichkeit beim Wohnungsbau eine Notwendigkeit. Gerade in Zeiten der Erderwärmung sind nur solche Wohnkonzepte sinnvoll, die eine nachhaltige Orientierung an Mensch und Umwelt erkennen lassen. Umweltfreundliche Bau- und Wohntechnologien stehen bereit und müssen gefördert werden. Die Wohnungskrise produktiv und zukunftsorientiert zu nutzen, heißt jetzt flächendeckend auf diese Technologien zu bauen. Dabei geht Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Wir brauchen eine Nachverdichtung der Städte und ein landesweites Innenentwicklungskonzept, das Flächenversiegelung minimiert und die Energiewende auch beim Wohnungsbau vorantreibt. Öko-effiziente Kriterien müssen bei Neuausweisungen von Gewerbe- und Wohngebieten herangezogen und innerörtliche leerstehende Gewerbeimmobilien verstärkt für Wohnraumgewinnung genutzt werden. Ergreifen wir diese Chance und setzen wir zukünftig auf nachhaltige Qualität, anstatt auf billige Kompromisse. Nur so wird verantwortungsvoller Wohnungsbau in Schleswig-Holstein dauerhaft ein Erfolg.
Seit 1996 hat sich vieles getan, eines jedoch hat sich nicht verändert: Grüne Wohnungsbaupolitik heißt nach wie vor in den Kommunen, im Land und im Bund für eine soziale, faire und gerechte Wohnungsbaupolitik zu streiten. Diese grüne Tradition nehme ich mir zu Herzen. Wohnraum muss für alle gewährleistet sein, sozial und ökologisch sinnvoll. Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit muss in allen Dimensionen des Wohnens und Bauens verankert werden. Nutzen wir die Synergien von Mobilität und Wohnungsbau. Starten wir mit gemeinnützigem Wohnungsbau auf Basis einer sozial gerechten Kostenmiete. Schließen wir Steuerschlupflöcher bei Immobilienspekulationen, reformieren wir langfristig die Grunderwerbssteuer und investieren wir in eine nachhaltige Wohnungspolitik für alle. Mit diesen Ideen einer neuen, fairen und sozial gerechten Wohnungsbaupolitik machen wir Schleswig-Holstein zum wohnungsbaupolitischen Vorbild und erhalten die Lebensqualität, die den Echten Norden auszeichnet.